Traumafolgen Geflüchteter

Ein psychisches Trauma ist zu verstehen als innere Reaktion auf äußere Prozesse, die zerstörerisch auf einen Menschen einwirken. Es tritt dann auf, wenn diese äußeren Prozesse die psychische Struktur und die Verarbeitungsmöglichkeiten eines Menschen überfordern. Als entscheidend für das Entstehen einer Traumafolgestörung gilt das jeweils individuelle Erleben einer existentiellen Bedrohung und der damit verbundenen eigenen Hilflosigkeit.

Menschen, die fliehen, haben solche Zerstörungsprozesse erlebt, in ihren Herkunftsländern und auf der Flucht. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO)  2018 befragte bundesweit über 2.000 Schutzsuchende: Rund 75% haben Gewalt erlebt und sind (oft mehrfach) traumatisiert. Jede(r) Fünfte wurde gefoltert. 60 % erlebten Krieg, 40% Angriffe von Militär oder Bewaffneten. Bei jedem Dritten wurden Angehörige verschleppt oder umgebracht. 27% haben bis zu drei Traumata, über 30% mehr als drei Traumata. 40% aller Befragten haben Anzeichen einer depressiven Erkrankung. Es existiert ein signifikanter Zusammenhang zwischen traumatischen Erlebnissen und gesundheitlichen Beschwerden:  Traumatisierte litten doppelt so häufig unter körperlichen und psychischen Leiden wie Mutlosigkeit, Unruhe, Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen als Geflüchtete ohne solche Erlebnisse.1


Traumafolgestörungen bei geflüchteten Menschen können sein:

  • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
  • Depressionen
  • Angststörungen
  • Schlafstörungen
  • Anpassungsstörungen
  • Persönlichkeits-Störungen
  • Phobien
  • Psychosen
  • Somatoforme Störungen
  • Aufmerksamkeitsstörungen
  • Selbstverletzungen bis hin zu Suizidideen

Für die Heilungschancen einer Traumafolgestörung ist auch entscheidend, wie lange das Asylverfahren dauert, also wie lange ein Leben in Unsicherheit geführt werden muss. Was diese Unsicherheit mit den Menschen macht, zeigt folgendes Beispiel einer Klientin, Mutter zweier kleiner Kinder:

„Ich war gerade beim Kochen, da sah ich, wie 2 Polizisten in unser Haus hereinkamen. Ich sah und hörte die Papiere in ihren Händen rascheln. Ich ließ alles stehen in der Küche. Auch später konnten wir nicht mehr essen. Ich fing an zu zittern, mein Herz raste. Mein Mann war so vollkommen verzweifelt. Er hatte Angst am ganzen Körper. Die Polizisten klingelten dann an einer anderen Türe. Ich spüre nur noch die Angst, dass wir in unser Heimatland abgeschoben werden…“